Texte
Liebe Gemeinde.
Während viele der LeserInnen hier bewusst in drei Pullovern und sechs Socken gewrapt in ihren Wohnungen sitzen, die sie entweder gar nicht heizen wegen der zu erwartenden hohen Rechnungen oder nur auf 18 Grad, haben sie doch das gute Gefühl, es irgendwie auch für das Klima zu tun. Und für die Reichen. Also die zehn Prozent der Weltbevölkerung, die für mehr als die Hälfte der Kohlenstoffemissionen seit 1990 verantwortlich sind. Wir sind/werden gerne arm, damit der Irrsinn des steigenden BIPs, das nichts über unsere Lebensbedingungen aussagt, weitergehen kann. Und Unternehmen ihre Aktionäre mit geplanter Obsoleszenz erfreuen, Berge von Schrott erzeugen, und Amazon Waren ökologisch sinnvoll um die halbe Welt fliegt, um Retouren irgendwo zu verbrennen.
Egal, die Zahl der Obdachlosen in Deutschland steigt ständig, die Inflation und warum nicht auch mal solidarisch die Miete nicht mehr zahlen können. Zu einfach ist es, dem System die Alleinschuld zu geben, wenn man die Möglichkeit hätte, den Wahn des Wachstums für wenige mit Gesetzen zu beenden. Schwamm drüber. Während wir Massen also verwirrt von all den absurden politischen Entscheidungen, die dafür sorgen, dass Reiche immer reicher werden und die Massen überwacht und zufrieden der Verlochung von Milliarden ihrer Gelder für amerikanische Kampfflugzeuge zusehen, gibt es auch viel Gutes. Wir leben noch. Vielleicht haben wir eine bezahlbare Wohnung, alle Gliedmaßen, vielleicht sind wir selbstständig und in der Pandemie nicht bankrottgegangen, und nächstes Jahr haben wir einen Urlaub geplant. Außerdem bleiben Ruhe und Ordnung in Deutschland gewährleistet – die Protestbewegung Last Generation ist als Terrorverein abgestempelt, der Kanzler bleibt im Amt.
Ermittlungen gegen #Scholz und Tschentscher in der #CumEx #Warburg Affäre werden (gegen den Willen der ermittelnden Staatsanwältin?) von oben gestoppt. https://t.co/G0Wc8B7GUI
— Fabio De Masi 🦩 (@FabioDeMasi) December 18, 2022
Nach gefühlt 89 Jahren SPIEGEL-Texte schreiben, muss ich mich nun anderen Aufgaben zuwenden wie zum Beispiel – die Welt mit Literatur retten, was ein sehr aussichtsreiches Unterfangen ist.
Oder noch ein paar Theaterstücke schreiben, in der Hoffnung, dass es im neuen Jahr noch Theater gibt.
Ich kann Ihnen jetzt, wo wir hier so gemütlich zusammensitzen– noch jemand eine Wärmflasche?– gestehen, dass ich Ihre mit großer Anteilnahme verfassten Kommentare unter meinen Texten nie gelesen habe. Nicht, weil mir Ihre Meinung nicht wertvoll erschiene, ich hatte einfach keine Zeit dazu, Sie wissen ja, Zeit ist Geld und leider ist es mir nicht gelungen, mich in die Reihen der zehn Prozent zu erben (falls jemand hier dazugehört – ich stehe einer Adoption Ihrerseits sehr offen gegenüber). Wenn Sie meine Texte vermissen, egal ob aus Liebe oder Hass – holen Sie sich meine Bücher. Schicken Sie mir Weihnachts- und Chanukkageschenke, und vergessen Sie mich nicht. Man liest sich immer mehrmals im Leben – vielleicht übernehme ich schon bald die Börsenberichte in der »New York Times«. Bis dahin – Danke für Ihrer aller Treue.
Haben Sie ein schönes Leben.
Die Demokratie, auf die Teile der westlichen Welt so stolz ist, von der die meisten vergessen haben, das sie auf Kolonialisierung und Sklaverei basiert, https://www.woz.ch/2007/aufarbeitung-des-nationalsozialismus/deutsche-auf-der-flucht ( kleine wiederholte Erinnerung )
verändert sich gerade.
Dass die politische Form die die naturgegebene Überlegenheit des pinkfarbenen Menschen
nicht mehr zeitgemäß ist, verwirrt viele Menschen dermaßen, dass sie zu irrationalen Handlungen neigen- wie Parteien und Diktatoren Demokratisch zu wählen, die für die meisten ihrer Wählerinnen keinerlei Verwendung mehr haben. Der Mensch wird in arbeitsfähig und unnütz eingeteilt, und unnütz sind wir doch fast alle. Ein Hoch auf die Märkte. Unterdessen lösen sich die alten sogenannten Volksparteien auf, die Programme verwässern, Arbeiter will in der Zeit der schlechtbezahlten Dienstleiterinnen niemand mehr sein. Die Demokratie scheint in der Form wie sie bisher funktioniert an ihrem Ende. Vielleicht weil ihre Schwachstellen zu deutlich werden. Um einmal das Vorbildland der direkten Demokratie zu erwähnen, die Schweiz, in der es den Bürgern auch dank elektronischer Plattformen leicht gemacht wird, gegen Entscheidungen der Volksvertreter zu stimmen. https://www.geschichtedersozialensicherheit.ch/themen/direkte-demokratie-und-sozialstaat/
Klingt gut, gerecht und Zukunftsfähig, doch- oft entscheidet das Kapital auch hier. Logischerweise unterstützen Kapitalisten linke Ideen seltener. Referenden die anfänglich eine große Zustimmung des Volkes erfahren, werden oft mit dem massiven Einsatz von finanzieller Beeinflussung, zu Fall gebracht.
Mit Geld werden Troll Fabriken zum Einsatz gebracht, werden Menschen und Wahlen beeinflusst und
in den USA, dem kolportierten Erfinderland der Demokratie, entscheidet die Höhe des Geldes oft den Ausgang von Präsidentenwahlen. Frauen mitgemeint, denn auch hier setzen die Finanziers lieber auf Bewährtes. Mit Glied. Wie auch immer. Ich verplaudere mich. Es geht um die Veränderung von allem, woran wir irgendwie zu glauben gelernt haben. Und
Es gibt weniges, dass Menschen solche Mühe bereitet, als mit Gewohnheiten zu brechen. Gewohnt war- Politik in der westlichen Welt ist irgendwie demokratisch, heißt man kann wählen, aber eher kann man es lassen. Im Anschluss kann man sich über das was man aus Trägheitsgründen oder weil eh alles egal ist nicht gewählt hat, aufregen, Was wählt man heute aber, wenn fast alle Parteien Neoliberalen Grundsätzen und Geldströmen zu folgen scheinen, die linken sprich- sich für Gleichheit aller engagierenden Parteien entweder kaum mehr existieren ( Piraten) ohne Einfluss sind oder sich zerlegen, wenn Trotzwähler einer Partei ihre Stimme geben, die keinen Plan hat, außer die Demokratie abzuschaffen, trotzig zu sein, und volksnah, also simpel, keine Inhalte außer dem gelernten Hassframing und dem Dagegen sein, anbieten.
Es ist an der Zeit, politische Prozesse neu zu erfinden.
Und das ist großartig leicht gesagt, und sehr anzugehen, denn dazu müssten die Politikerinnen des alten Systems udn BürgerInnen ihre Gewohnheiten aufgeben. Und sich auf unbekanntes einlassen. Auf Versuche mit Dezentralisierung, Bürgerinnen- Komitees, Wissenschaftlicher Beteiligung, partiellen Einsatz von AI. Mehr kommunale Beteiligung der Menschen in Entscheidungsprozesse. Ein langwieriger Prozess der Umgestaltung liegt vor den westlichen Ländern. Da scheint es einfacher auf einen starken Führer zu setzen. Die träge Lösung, die immer in einer bevormundeten Gesellschaft endet. Hoffen wir, dass es nicht das ist was die Mehrheit der Gesellschaften wollen. Diesen schönen, einfachen, kuschligen Faschismus der immer nur den Reichen nützt, die ihn zur Macht verhelfen.
Guten Morgen, ich möchte mit Ihnen über Gott reden.
Vor dessen oder deren Siegeszug durch die Hirne glaubten die Menschen an Zauber und Feen, waren sich selbst und der zu großen Welt ausgeliefert. Die Religion gab dem Glauben an Waldwichtel und Donnergötter endlich eine Ordnung und der Synkretismusvon Glauben und Wissen wurde institutionell. In Folge wussten sich Millionen im Besitz einer Wahrheit – der ihrer Religion. Und sie begannen, Menschen, die an eine andere Wahrheit, also andere Religionen, glaubten, zu bekämpfen.
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Daran hat sich nichts geändert. Wir hassen uns aufgrund unklarer Sachlagen, absurder, nicht bestätigter Theorien und Meinungen, die flüchtig sind. Selbst auf einige wissenschaftlich belegte Fakten (Sonne geht auf und unter, Erde ist rund, Menschen sind sterblich) konnten sie sich nicht allumfassend einigen, die Leute. Was vom eigenen Glauben und dessen Rechtfertigung abweicht, wird entweder überhört, verspottet oder modisch als »Verschwörungstheorie« bezeichnet. Und Ruhe ist. Eine unangenehme Abkürzung, die unsere Gehirne nehmen, leider oft bestärkt von zu vielen Nischen witternden AutorInnen, die faktisch tendenzielle Bücher zu dem Thema verfassen. Der Blick auf Logik, die Freude am Lernen und Verstehen ist zu einem Klugscheißer-Battle verkommen. Zu einfach zu verführen ist unser Verstand, zu schnell stellt man Onlinemanipulationen her, zu komplex sind die weltweit verfügbaren Informationen für die Einzelne.
Aber.
Woran sollen wir glauben, was ist die Wahrheit, wem gehört sie, wem nützt sie und was passiert eigentlich, wenn wir etwas nicht wissen, explodieren wir dann? Die Menschen, die von der gesunden Eigenschaft eines sehr herzhaften Frühstücks überzeugt sind, kann man als Opfer der Lügen von Edward Bernays bezeichnen, der die Trägheit des Verstandes akribisch erforschte, und zum Wohle aller die Propaganda erfand. Er erklärte Rauchen zu einer gesunden Sache, baute die Basis für den amerikanischen Traum, der, in die ganze Welt transportiert, der Wirtschaft nütze. Prost. Sein Nachfolger heute ist die einflussreichste Propaganda-Agentur der Welt, Hill&Knowlton
, die weltweit im Gebiet der Wahrheitsfindung und -zementierung tätig ist. Die mopsfidelen Propagandisten klärten die Welt über den teuflischen Saddam Hussein auf, sie arbeiten im Auftrag des kuwaitischen Herrscherhauses, promoteten Asbest und Tabak .
Keine Ahnung, ob es so klug war, sie auch mit der Warnung vor tödlichen Seuchen zu beauftragen , sie in der Nähe der EU-Kommission in Brüssel zu dulden oder sie mit ihrer Partneragentur einen Klub in der Nähe des Bundeshauses in der Schweiz betreiben zu lassen . PR-Agenturen sollten Nudeln promoten oder Sportlern ein sportliches Image verpassen. Meine Meinung.
Doch die Frage bleibt: Was sollen wir glauben, wenn wir die schnell hingewurstelten Schlagzeilen lesen, die sich schon am nächsten Morgen als geht-so-richtig herausstellen? Wie PolitikerInnen trauen, die ihr Wissen von Beratergruppen erhalten, zu denen in einigen Ländern Klimaleugnerinnen wie das Heartland Institut zählen, die WissenschaftlerInnen für die – sagen wir einseitige – Gewichtung ihrer Untersuchungen zahlen?
Glauben wir der Schwarmintelligenz – also der Ansammlung überforderter Menschen – die sich ihre Überzeugung nach ihrer aktuellen Religion zusammensuchen, und sie, sich als einzig Sehende begreifend, ihre Fakten bis zur Verbitterung verteidigen? Soll in den Zeiten von Deepfake, also maschinell gefälschter Film- und Tondokumente doch der AI die Wahrheitsfindung überlassen werden ? Oder kann es schiefgehen, wenn die AI beginnt, sich selbst zu programmieren ?
Trauen wir Fact-Checkern , die wieder aus Menschen bestehen, die man nicht kennt? Soll die Deutung der Wahrheit Staatssache sein ? Oder wohnt der Etablierung von Kontrollgremien nicht immer auch der Unsicherheitsfaktor der Zensur inne? Was nur tun mit dem Zweifel? Der Frage, wem glauben, wenn man nicht einmal dem Wetterbericht vertrauen kann, das stimmt ja nie, oder den Ordnungshütern, die heimlich Prinzen huldigen?
Vielleicht ist es, um nicht durchzudrehen, eine Lösung, die guten alten Geisteswissenschaften zu befragen. Im Ringen um die Bedeutung der Wahrheit gibt es den Begriff der Intersubjektivität.
»Sie mögen zuerst unterschiedliche Ergebnisse erhalten, aber wenn jeder seine Methoden und Prozesse perfektioniert, wird man feststellen, dass die Ergebnisse sich stetig auf ein vorbestimmtes Zentrum hinbewegen.
Die Meinung, der alle Forscher schicksalhaft am Ende zustimmen müssen, ist das, was wir mit Wahrheit meinen, und der Gegenstand, der durch diese Meinung repräsentiert wird, ist das Reale.«
– Charles S. Peirce
Geschichte ändert sich, Wissenschaft entwickelt sich weiter, es ist ein Zeichen von Borniertheit, zu denken, im Besitz der Wahrheit zu sein.
Der nähert man sich oft durch das Zulassen verschiedener Positionen. Kein Mensch, außer mir, ist im Besitz einer für immer gültigen Wahrheit, denn das wäre das Ende unserer Entwicklung. Die Suche nach Gültigkeit, die Thesen und Antithesen zulässt und sie als Lernen begreift, als ständigen Austausch und Pflege des eigenen Verstandes, hilft dabei, sich zu entspannen. Ansonsten hilft es, Ruhe zu bewahren. Selbst wenn Sie oder ich die absolute Wahrheit kennen würden, die es nicht gibt, es wäre der Welt vollkommen Stulle.
Das wird mir doch nie passieren! Dass ich jüngere Menschen nicht verstehe.
Weil mich äußerlich nichts von ihnen unterscheidet.
Ich höre ihre Musik, trage die gleichen Sneaker und Hoodies, und okay, ich habe eine Eigentumswohnung mit dem Geld meiner Eltern angezahlt und der kleine Randolf ist jetzt drei. Aber sonst falle ich in einer Ansammlung Siebzehn-, Achtzehn- oder Anfang Zwanzigjähriger nicht auf. Dachten sich viele, die mindestens eine Generation von den Anfang Zwanzigjährigen entfernt sind. Und das war auch gut so, denn nichts Spießigeres gibt es, als in Generationen oder Zahlen zu denken oder zu agieren. Aber. Auf einmal begann es. Langsam. Wurden sie den Älteren unverständlich, denn – was ist der Kick dabei. Sich Bilder von anderen jungen Menschen mit Hasenohren und Filtern anzusehen, die irgendeinen bescheuerten Nagellack auf ihre Fingerkuppen strichen, oder zu Musik, die früher als Schlager gedisst worden wäre, zu tanzen, fragten sich die Erwachsenen. SoziologInnen, Verhaltensforschende und KulturhistorikerInnen versuchten, das Phänomen Selbstdarstellung mit dem Verschwinden des Individuellen, der verzweifelten Suche der Jugend nach einer Bedeutung in Zeiten, in denen Menschen mit Codeketten batteln, zu erklären. Und so weiter. Aber der Graben zwischen Eltern und Kindern hatte sich aufgetan. Sozusagen. Und er wurde breiter. Die Gegenbewegung zu den glatten Filterboys und Babes hatte grüne Haare und hörte Billie Eilish, und schnell taten Ü40-Musikkritiker, als verständen sie irgendwas vom Elend des Jungseins, sie schrieben über diese Musik, als wäre sie ihre und waren dabei nur kurz verunsichert von den Untersuchungen, die von der wachsenden Bedeutungslosigkeit der klassischen Medien für jüngere Menschen berichteten. Die lasen keine ordentlichen Zeitungen mehr, sahen kein Fernsehen. Die kleinen Biester ziehen es vor, sich, statt in den Dutzenden Qualitätsmedien hinter Bezahlschranken, ihre Informationen von Gleichaltrigen auf Plattformen zu holen. Die Medien reagierten angemessen mit Entlassungen, dem Zusammenstreichen der Kulturteile und noch mehr Bezahlschranken. Well done. Gerade als die Erwachsenengenerationen sich wieder ein wenig beruhigt hatten, ging es weiter. Wobei – hier ist ein kleiner Exkurs über das Wort »erwachsen« und seine Bedeutung angezeigt. »Erwachsen« heißt meistens, sich mit dem System arrangiert zu haben. Das war es auch schon. Also. Plötzlich erfanden »Teile« der jüngeren Menschen die neue Empfindsamkeit. (Obacht – nie verallgemeinern! In allen Altersgruppen finden wir Millionen von Individuen mit bescheuerten Ideen, die Welt durch ihre Draufsicht zu erfinden.) Teile erfanden also die Dringlichkeit, alle Geschlechter in der Sprache abgebildet zu sehen. Fair genug. Doch noch während der Hundertste erregte Journalist einen launigen Genderbeitrag schrieb und damit etwas meinte, fanden viele Jugendliche plötzlich Sexismus und Rassismus nicht mehr zeitgemäß. Ageism ging klar, Klassengesellschaft auch, aber man kann sich ja nicht um alles kümmern. Als das nichts half, gingen sie an die Heiligtümer der Erwachsenen: das Recht darauf, im Stau zu stehen. Teile der jüngeren Menschen fanden es plötzlich auch unangemessen, den Planeten dem Profit zu opfern, in SUV rumzudallern, mit Privatjets zum Einkaufen zu fliegen, Plastik in die Meere zu kippen. Und einige hinterfragten, wie undankbar, sogar den Kapitalismus, der uns allen, na ja, oder einigen zu so einem feinen Reichtum verholfen hatte. Sie demonstrierten, ließen sich beschimpfen, mit Häme überschütten, und als das nichts half, gingen sie an die Heiligtümer der Erwachsenen: das Recht darauf, im Stau zu stehen. Die Jugendlichen klebten sich auf Straßen und, Achtung, gingen auf die Werke alter Meister los. Ja, sie schütteten Dosennahrung gegen Plexiglasscheiben, die die Bilder besser schützen als jedes menschliche Leben. Fertig lustig war es mit dem Verständnis und der Solidarisierung der Erwachsenen mit der Kindergeneration. Was soll denn jetzt bitte noch kommen, fragten stellvertretend ihre Fixsterne, die Kolumnisten und Essayisten der Medien hinter den Bezahlschranken. Die Zauberflötenaufführung, die wir uns verdient haben, mit Kunstblutaktionen zu stören? Sich an den Eingang von BlackRock tackern, und dabei gegenderte Protestzeilen zu intonieren? Und bei vielen der über Zwanzigjährigen stellte sich eine Erschütterung ein. Sie fühlten es nicht mehr, das WIR, das sagte: Ich bin die beste Freundin meiner Tochter und wir tauschen Klamotten. Oder – ich share die Hip-Hop-Spoti-Listen mit meinem Kind. Die Chucks kamen in den Müll und die Erkenntnis war brutal: Teile der nicht mehr Zwanzigjährigen waren nicht mehr jung. Sie machten blöde Witze über die Verwendung von neutralen Pronomen, fanden Transmenschen irgendwie na ja, sie ertappten sich dabei, leise Zigeunerschnitzel zu murmeln und extra mit hoher Geschwindigkeit auf Autobahnen zu brettern. Lasen wütende Aufsätze von Essayisten in ihrer Printtageszeitung, nickten leise. Diese dummen Gören, die Kunst angriffen, gerade Kunst, das brotlose Gewerbe Randständiger. Tradition und Identifikation der Menschheit wurde da besudelt, und scheiß auf den Planeten, den retten wir sowieso nicht mehr. Und: Ich will einfach meine verdammte Ruhe haben in dieser irrsinnigen Welt. Für mich wird es schon noch langen. Mit dem Klima und allem. Dachten sie. Nach dem jahrelangen Geraune über die angepasste Jugend, die FDP-Wähler und Konsumenten, ist sie nun da. Die Jugendbewegung, die es schafft, sich wirklich von ihrer Elterngeneration abzugrenzen. Ja, und nun ist es vollbracht. Nach dem jahrelangen Geraune über die angepasste Jugend, die FDP-Wähler und Konsumenten, ist sie nun da. Die Jugendbewegung, die es schafft, sich wirklich von ihrer Elterngeneration abzugrenzen. Die laut ist und stört, die nervt, und das zu Recht. Es ist für die Evolution, also die kurze, die die Menschheit eventuell noch erleben darf, wichtig, dass der nachwachsende Mensch glaubt, es besser zu wissen. Dass er rebelliert, Revolutionen plant, wenngleich sie meist auch nur theoretisch stattfinden. Es ist wichtig, dass die Menschheit sehr zäh begreift, dass alle den gleichen Nichtrespekt des Kapitalismus und der Märkte verdienen, und dass sich die Weltbevölkerung einen Millimeter weiterentwickelt. Als nicht mehr Jugendlicher kann man alle Entwicklungen albern finden oder prima, es ist egal. Am besten, man unterstützt die Jugendlichen, ist froh, dass sie die Energie haben, etwas ändern zu wollen, was die meisten Erwachsenen doch irgendwann aufgegeben haben. Man wird nicht gezwungen, alles mitzumachen, was sich andere ausdenken, aber in Ruhe lassen kann man sie und eigene Positionen überdenken. Und vielleicht haben sie ja in einigen Dingen recht, die Jugendlichen, in deren Weltverständnis es vermutlich sogar eine Logik hat. Zum Beispiel die, ältere Menschen bescheuert zu finden, denn sie stören die eigene Aussicht auf unendliche Jugend. Da hilft es auch nicht, wenn Bayern seine Jugendlichen präventiv einsperrt. Den eigenen Verfall kann man nicht mit Gefängnisstrafen verhindern. Was tun also? Vorsorglich alle 16- bis 25-Jährigen in Gewahrsam nehmen, warten, bis sie bereit sind, ordentliche BürgerInnen zu werden, um sich ihre Hartz-IV-Leistungen zu holen, in gebührender Demut sich ihre Existenz nicht zu verdienen, in einem netten Land mit einer üblichen Regierung. Und all den Essayisten und Kolumnisten, die jetzt gerade am millionsten Text über Kunst, Kleber, Gendern sitzen – lasst es einfach. Untersucht die Gefahren der Überwachung, des Lobbyismus, prangert die Lügen einiger PolitikerInnen an, beruhigt die Menschen, bringt sie wieder dazu, miteinander zu reden, oder macht Mittagsschlaf. Und träumt von der Beantwortung der Frage: Ist denn euer Leben wirklich so großartig, dass ihr es vor der Jugend verteidigen müsst?